Theodor Ladewig, der verdiente Begründer dieser Ausgabe, ist am 29. November 1878 heimgegangen, nachdem er schon 1874 in der siebenten Auflage des zweiten Bändchens mit tiefgefühltem Danke, der vielmehr ihm gebührte, von seinen Lesern Abschied genommen hatte. Salve, sancte parens! Nach ihm hat Carl Schaper an dem Buche Vaterstelle vertreten und von diesem Bändchen wie vom dritten drei, vom ersten zwei neue Auflagen gewissenhaft besorgt. Da raffte ihn im besten Mannesalter am 6. Oktober 1886 ein jäher Tod dahin: nil iam caelestibus ullis debentem vano maesti comitamur honore. In der neuen Auflage galt es nun, die schuldige Achtung vor dem Wollen und Wirken der sachverständigen Vorgänger mit der Rücksicht auf die Anforderungen der Gegenwart angemessen zu vereinigen. Das war schwer. Und ich kann wohl sagen: so gern ich seinerzeit die weitere Pflege des verwaisten Buches übernahm, hätte ich sie nachgerade doch oft wieder abgeben mögen. Ja, gar zu häufig kam es vor, dass ich die jahrelang erprobte Vorlage, die ich doch möglichst unverändert halten wollte, in Form und Inhalt gänzlich umgestalten sollte. Dass ich es allen recht gemacht, ist nicht zu erwarten; ich genüge mir selber kaum. Doch habe ich mich wenigstens bemüht, eine Art Mittelweg zu wandeln, auf dem ich mit der Mehrzahl der Meinungen und Wünsche zusammenzutreffen hoffe. Der Text ist wesentlich derselbe geblieben und nur in einigen Dingen meiner Ausgabe von 1889 angeglichen, in welcher ich übrigens auch über handschriftliche Lesarten und allerlei Vermutungen vorläufig Bescheid zu suchen bitte: die dürftigen Angaben des Anhangs, namentlich über Ladewigs Abweichungen von Ribbeck und Haupt, sind weggefallen, sofern nicht Abweichungen vom früheren Texte oder besondere Erörterungen dies verboten. Dafür bringt der Anhang mancherlei Hinweise auf wichtige Arbeiten der Neuzeit, deren Ergebnisse dem vorliegenden Kommentare nur kurz oder gar nicht einzuverleiben waren, weil in erster Reihe die Bedürfnisse der Schule Beachtung verlangten. Stark verändert sind die Anmerkungen, wie früher von Schaper, so jetzt von mir. Für die Form galt als Ziel: bei aller Kürze möglichst klar. Die Citate sind gesäubert und bisweilen vermehrt; auch öfter ausgeschrieben, namentlich die aus der Ilias. Um unnötige Fingerarbeit zu sparen, giebt meist ein kurzes Stichwort an, was man am angegebenen Orte i belegt findet. Verweisungen auf die zwei andern Bändchen sind nach Kräften vermieden und die wichtigsten Regeln über Dehnung, Hiatus, Synizese u. dgl. aus dem dritten Bändchen hierher gezogen. Umgekehrt fehlen allerlei stereotyp gewordene Verweisungen, namentlich auf die Besprechung der Archaismen*) auf S. 7 des ersten Bändchens, der Hypermeter zu I 332, der Halbverse zu I 534, zuletzt auch der verschiedenen Fälle der Allitteration zu III 412 u. a. m., was jedesmal nachzuschlagen weder lockt noch lohnt. Gestrichen sind auch die in ihrer Vereinzelung und Unbestimmtheit meist wenig nutzbaren Angaben über Vergils Neuerungen im Wortschatz, für welche hiermit kurz auf Ladewigs in wenigen Kleinigkeiten berichtigtes Verzeichnis auf S. 285 f. hingewiesen sein mag, und über die Abweichungen vom prosaischen Sprachgebrauch, die bei der Dichterlektüre zu erörtern nicht mehr statthaft erscheint. *) Über sie handelt jetzt eingehend K. Wotke, Wiener Studien VIII 1886 S. 131/48. Von sachlichen Erklärungen ist ohne weiteres entfernt, was zweifellos unhaltbar war. Ebenso viel Unsicheres. In manchen Fällen ist die alte Deutung im Anhange kurz besprochen, in einzelnen umgekehrt dort eine neue vorgeschlagen. Die Änderungen ergaben sich teils aus eigenen Erwägungen, teils aus fremden Vorschlägen, deren Urheber und Fundorte oft ausdrücklich im Anhange genannt sind, besonders wo es sich empfiehlt, die Quelle selber nachzulesen. Im Kommentare jedem einzelnen Gedanken den Ursprungsstempel beizufügen wäre zu umständlich, ja oft unmöglich gewesen. Dass ich andern viel verdanke, gestehe ich mit Freuden. Man wird hoffentlich erkennen, bisweilen vielleicht an einem einzelnen Worte, wie ich nicht nur die eingehenden Beurteilungen der früheren Auflagen *), sondern auch sonst die einschlägige Litteratur zu verwerten gesucht habe. Namentlich wirkten anregend H. Th. Plüfs (Vergil und die epische Kunst. Leipzig 1884), O. Ribbeck (Geschichte der römischen Dichtung. Bd. II. Stuttgart 1889) und R. Sabbadini (Studi critici sulla Eneide. Lonigo 1889). Ebenso habe ich Brosin und Gebhardi-Ihm wiederholt zu Rate gezogen, ohne jedoch darum die bewährte Eigenart des vorliegenden Buches aufzugeben. Unmittelbar meiner Arbeit galten wertvolle Winke des Herrn Geh. Rates Sauppe in Göttingen, des hochgeehrten Obmanns der Weidmannschen Sammlung von Klassikern mit deutschen Anmerkungen. Endlich bin ich meinem Kollegen K. Jahr wie für freundliche Hilfe bei der Korrektur so auch für allerlei sachliche Bedenken und Nachweise zu herzlichem Danke verpflichtet. Zum Schluss noch ein Wort über meine Stellung zum Dichter selber. So unrichtig es war, wenn man früher alles Mangelhafte bessern oder als unecht streichen zu sollen meinte, *) Vgl. besonders O. Güthling, Philol, Rundschau 1881 S. 1241 f., T. in T., Korrespondenzblatt f. d. Gelehrten- und Realschulen Württembergs 1885 S. 410 f., und E. Eichler, Zeitschrift f. d. österreich. Gymn. 1886 S. 265 f. |