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um auch weitere Kreise des Volkes in die litterarischen Interessen Roms hineinzuziehen.

So bot die Beschäftigung mit der Litteratur vielen einen teilweisen Ersatz für die verlorene oder doch beschränkte und gehemmte politische Macht, ähnlich wie in Deutschland am Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts. Und wie damals in Deutschland, so belebte sich unter Augustus in Rom und Italien die Vorliebe für das Studium der Philosophie und für philosophische Unterhaltung in der Gesellschaft. Die antike Religion war nur Kultus, nicht Lehre, nicht Lehrmeinung, nicht Lehrstreit, sie kannte keinen Religionsunterricht. Was Lehrhaftes an ihr war, wurde in dem Cärimonial- oder dem kirchlichen Staatsrechte ausgebildet, an dem weder das Volk noch die Masse der Gebildeten ernsten Anteil nahmen. Wie dieser Mangel die griechisch-römische Welt mit geistiger Verödung bedrohte, wird sofort klar, wenn man den staunenswerten dialektischen und sprachlichen Aufschwung beachtet, der uns in den besseren Werken der lateinischen Kirchenväter entgegentritt. Ohne die geistige Wiedergeburt der lateinischen Sprache durch die großen Kirchenschriftsteller hätte diese nicht die Vorherrschaft in Schule und Diplomatie bis ins 17., zum Teil bis ins 19. Jahrhundert ausüben können. Die westfälische Friedensurkunde war in lateinischer Sprache verfaßt.

Was die antike Religion dem Volke nicht bieten und nicht leisten konnte, das ersetzte ihnen die Hingabe an die Lehren der nacharistotelischen Philosophie, die eine Richtschnur boten für die Führung eines gesunden und vernünftigen Lebens außerhalb der ausgetretenen Pfade republikanischer Politik; zugleich aber regten die dogmatischen Gegensäge und Streitpunkte der philosophischen Schulen zur prüfenden Untersuchung und dialektischen Erörterung philosophischer Fragen mächtig an. Jeder Gebildete oder Halbgebildete seiner Zeit war entweder Epikureer oder Stoiker oder schuf sich aus Studium und Lebenserfahrung eine eigene Lebensweisheit, die bald mehr vom Epikureismus, bald mehr vom Stoicismus er

füllt und bestimmt war. Jüngere Talente holten sich dazu das dialektische Rüstzeug aus der Waffenkammer der neueren Akademie, und vom Studium angezogen, wagten manche sich auch in Plato, andere in Menander und Aristophanes oder in die griechischen Tragiker und Homer zu vertiefen; wieder andere, wie Livius und Asinius Pollio, wollten über die Streitigkeiten der Philosophie und Politik sich erheben und suchten Trost und Erbauung in künstlerischer Darstellung der großen Thaten und Leiden ihres Volkes in Vergangenheit und Gegenwart, nach dem Muster Herodots und des Thukydides. Litterarische Bewegung war damals in Rom wie nie zuvor oder nachher; es wetteiferten mit einander Künstler und Dilettanten.1)

Augustus war klug und gebildet genug, alle diese litterarischen Bestrebungen zu fördern und zu beleben. Er selbst fand Muße zur Schriftstellerei. Ein hexametrisches Gedicht „Sicilia“ schilderte den Krieg mit S. Pompeius, prosaische Denkwürdigkeiten“ in 13 Büchern schilderten sein Leben bis zum Jahre 27 v. Chr.; Epigramme, Spottgedichte, philosophische Abhandlungen werden von ihm erwähnt, aus seiner Jugend sogar eine Tragödie „Aiar", die er aber nicht vollendet hat.2) Große Fürsten haben zu allen Zeiten das Bedürfnis gefühlt, an der Litteratur ihres Volkes Anteil zu nehmen, ohne in ihren Interessen sich ganz zu verlieren.3)

1) Hor. ep. II 1, 117 scribimus indocti doctique poemata passim.

2) Suet. Aug. 85: poetica summatim attigit; unus liber exstat, scriptus ab eo hexametris versibus, cuius et argumentum et titulus est Sicilia; exstat alter aeque modicus Epigrammatum; nam tragoediam magno impetu exorsus non succedente stilo abolevit (i. e. Aiacem), et aliqua (recitavit) de vita sua, quam XIII libris, Cantabrico tenus bello nec ultra, exposuit, auch vлоμvýματα commentarii) genannt.

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3) 3. B. Louis XIV., Friedrich der Große, Josef II., Katharina II., Napoleon I. und III.

Es ist aber auch unverkennbar, daß Augustus bemüht war, die litterarische Thätigkeit der Zeitgenossen den Bestrebungen des Principats dienstbar zu machen. Es wäre jedoch ein großer Irrtum, wenn man deshalb glauben wollte, daß Männer wie Vergil, Horaz oder Properz ihre Überzeugung den Wünschen und Bestrebungen des Princeps opferten.1) Das Verhältnis war umgekehrt, die Mehrzahl der Gebildeten erkannte schon nach der Schlacht bei Philippi in Octavian den Friedensstifter und Friedenshort. Dennoch hielten damals noch manche hervorragende Männer zu Antonius oder Sex. Pompeius. Als aber dieser bei Mylä besiegt (36 v. Chr.), Antonius im Oriente zum Verrat an der nationalen Ehre und endlich zum Selbstmorde erniedrigt war, da kehrten auch die lezten Republikaner und Cäsarianer aus dem Erile nach Rom zurück und machten mit dem Princeps, der ihnen Amnestie entgegenbrachte, gern ihren Frieden.2) Die Anhänger der Ruhe und der Ordnung, und dazu gehörten die Dichter ebenso gut wie Mäcenas, Agrippa, Asinius Pollio, Messala Corvinus, hatten nunmehr dieselbe Überzeugung und dasselbe Ziel, den Frieden des Reiches im Innern und die Ehre Roms nach außen durch Augustus' Kraft und Weisheit begründet und befestigt zu sehen. Dem Augustus kamen in Rom die besseren Kräfte ebenso eifrig entgegen wie später in Frankreich dem ersten Konsul Napoleon, aber der „Retter“ der römischen Gesellschaft war maßvoller, weiser und aufrichtiger als der „erste Soldat“ der französischen Republik. Während Napoleons Kriegsluft den französischen Ehrgeiz stachelte, wußte Augustus zwar auch dem römischen Nationalstolz zu schmeicheln, ihn aber auch zugleich zu meistern und zu mildern, bald durch

1) Jm 4. Buch der Oden des Horaz ist eine viel größere Unterthänigkeit des Dichters bemerkbar als in den drei ersten Büchern, so sehr war seit 23–13 die Fürstenhoheit und die Majestät des Augustus gestiegen!

2) Vgl. Carm. II 7. I 36.

Aufschub nicht notwendiger Feldzüge, wie gegen Britannien,1) bald durch Bezwingung weniger gefährlicher Feinde, wie der Thraker und der Kantabrer,2) bald durch friedliche und doch ruhmvolle Verträge, wie im Jahre 20 v. Chr. mit den Parthern,) endlich durch Verfolgung des Grundsages, daß die Grenze des Reiches nicht mehr erweitert, sondern die Ordnung innerhalb der alten Grenzen befestigt werden müsse, ein Grundsah, den er auch seinem Nachfolger ans Herz legte.4)

Aber so ruhig und weise wie Augustus dachte doch nicht immer die ganze Aristokratie Roms; es gab unter ihr noch immer unzufriedene Köpfe, die zur Befriedigung ihrer Selbstsucht die Wiederherstellung der schwankenden Formen der Republik ersehnten, besonders gegen Ende des Jahres 28 v. Chr., als Censur und Konsulat Octavians zu Ende ging, ohne daß für die Zukunft Einfluß und Macht des Princeps geseßlich gesichert war, als die einen über die Befugnisse und den Titel des künftigen Machthabers stritten, andere wünschten und hofften, daß er auf jede Vormacht verzichten und sich ruhig ins Privatleben zurückziehen würde, um den Staat wieder zum Spielball republikanischen Ehrgeizes werden zu lassen. In der Zeit solcher Erregung der Gemüter trat Horaz mit mehreren seiner politischen Oden hervor und wies den Weg, den das römische Volk und Augustus selbst festzuhalten hatten, wenn nicht wiederum das Oberste zu unterst, das Niedere zu oberst gekehrt werden sollte.5) Als endlich am 16. Januar

1) Vgl. Carm. I 2, 50. 35, 29. 12, 53.

2) Carm. IV 14, 41. II 6, 2. 11, 1. III 8, 22. Ep. I 12, 26. 3) Ep. I 18, 56. Carm. IV 15, 7.

4) Tac. Ann. I 11: quae cuncta sua manu perscripserat Augustus addideratque consilium coercendi intra terminos imperii. Ein großer Teil der Aristokratie, für die die Welt nur da war, um von Rom erobert zu werden, war mit dieser Friedenspolitik des Kaisers nicht zufrieden.

5) Aus dieser Stimmung entstanden die Oden I 2, 3. 14 und vielleicht auch 12, denn Marcellus war bereits 28/27 der Julia verlobt.

27 v. Chr. auf den Vorschlag des Munatius Plancus im Senate die Teilung der Regierungsgewalt zwischen Senat und Princeps geordnet und diesem zur Bezeichnung seiner außerordentlichen und unverleßlichen Stellung der Titel Augustus verliehen worden war, wurden die Gemüter der Aristokraten zwar beruhigter, aber es gab der Widerstrebenden noch immer genug, denen der Dichter vor die Seele führen konnte, daß in der Monarchie Raum genug sei für eine ehrliche und segensreiche Thätigkeit der Aristokratie, wie ja auch im Himmel neben dem monarchischen Zeus eine stattliche Reihe von Göttern und Göttinnen Macht und Ansehen besize.1)

So freundlich und zwanglos auch Augustus mit den hervorragenden Schriftstellern seiner Zeit verkehren mochte, Hofdichter und Schmeichler schuf er nicht; er drückte ihnen nicht den Stempel seines Geistes auf, umschrieb auch nicht die Bahnen, in denen sie sich bewegen und die sie nicht verlassen sollten, und wenn er in ihnen Verteidiger der höchsten Ziele seiner Politik fand, so war dies ein glücklicher Umstand, den er zu benußen verstand, aber ebenso wenig die Folge eines Zwanges seinerseits, als die Äußerung kriecherischer oder höfischer Gesinnung der Dichter. Wer unter diesen die Sittenlosigkeit empfahl wie Ovid, den verwies er aus Stadt und Land, unerbittlich und unempfindlich gegen alle Schmeichelei und Erniedrigung der Verbannten.

Auffallend ist uns modernen Christen die Vergötterung des Augustus, wie sie seit 27 v. Chr. mehr und mehr in der poetischen Litteratur Roms sich bemerkbar macht, ja sie kann den jungen Leser abstoßen und mit Widerwillen oder gar Verachtung erfüllen. Uns Christen ist der Name Gottes heilig, ein Mißbrauch seines Namens ist uns Sünde, denn Gott ist einzig, und außer ihm ist kein Gott; eine Übertragung seines Namens auf Menschen, möchten sie durch ihre Ver

1) Dies ist der Grundgedanke von Carm. I 12.

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